Es gibt keinen Abstand zwischen uns. Es reichen kleine Gesten, um uns vereint, uns eins zu fühlen. Legen wir davon Zeugnis ab! Die Beispiele sind unzählig und sie sind wie ein kleiner Wald, der wächst. Ohne Lärm, aus reiner Kraft. Nach Lao Zu: "Ein fallender Baum erregt mehr Aufsehen als ein wachsender Wald."
Ich befinde mich in Ecuador
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- Kategorie: verbreiten die Gute
- Erstellt: Freitag, 10. Januar 2014 19:31
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Mein Name ist Luisa und ich befinde mich seit drei Monaten in Ecuador. Ich werde bis Februar hier sein und bis Januar an der Schule mithelfen.
Zunächst einmal zum Projekt:
Die Adolfo-Kolping-Schule wurde 1997 von Pfarrer Wolfgang Schaft für indígenas (die Ureinwohner Ecuadors) gegründet, um ihnen vom Ende der gesellschaftlichen Hierarchie herauszuhelfen. Viele der indígenas sind noch immer Analphabeten und die Mädchen werden teilweise mit 15 Jahren schwanger und müssen dann heiraten.
Die Schule bietet eine Grundausbildung von der ersten bis zur zehnten Klasse, wobei ab der achten Klasse jeder Schüler sich für einen Lehrberuf entscheiden muss. Nach der zehnten Klasse folgt das Bachillerato, das sind die drei Abschlussklassen. Schneiderei, Weberei, Schreinerei, Mechanikwerkstatt und Küche stehen als Berufe zur Auswahl, wobei letzteres den größten Zulauf hat.
Wir befinden uns hier auf etwa 4000m im Herzen Ecuadors, direkt auf der Straße der Vulkane. In Ecuador gibt es übrigens mehr Vulkane als tatsächliche Berge und der Großteil davon ist auch noch hochaktiv.
Ich habe direkt vor meiner Haustür den größten Vulkan Ecuadors, den Chimborazo, auch tayta, der Vater, genannt. Geht man vom Erdmittelpunkt aus ist das der höchste Punkt der Erde. Des Weiteren sehe ich noch drei andere Vulkane: El Altar und Carihuairazo sowie den Tungurahua, auch mamá, die Mutter, gennant. Der Legende nach haben Chimborazo und El Altar um Tungurahua gestritten und der Chimborazo hat im Streit den Altar so klein und unbedeutend werden lassen, dass sich der Tungurahua für ihn entschieden hat. Zudem heißt es, dass, wenn Chimborazo oder Tungurahua ausbrechen, ein Ehestreit vorrausgegangen ist und sich somit die Wut entlädt.
Der Chimborazo gilt gerade bei der indigenen Bevölkerung als heilig, da er laut Legende der Vater aller Lebewesen und Sitz der alten Götter ist.
Das Klima ist hier das ganze Jahr gleich. Allerdings kann man das von einem Tag nicht sagen: morgens und nachts braucht man mehr oder weniger Winterkleidung, tagsüber kann man im Strandoutfit durch die Gegend laufen.
Hier im Hochland gibt es nur wenige Tiere und Pflanzen: Mais, Reis, Yucca (ein Knollengewächs) und Kartoffeln gehören zu den Hauptnahrungsmitteln. Zusätzlich wird Coca angebaut und zu Tee oder Süßigkeiten verarbeitet. Generell ist die Hochlandregion (auch Sierra genannt) landwirtschaftlich geprägt. An Tieren findet man hier hauptsächlich Nutztiere wie Kühe, Schafe und Schweine oder auch Alpakas und Lamas. Die gibt es auch in wilder Form am Fuß des Chimborazo.
In den Städten und Dörfern begegnet man außerdem ständig Straßenhunden, die von den Einheimischen echt mies behandelt werden.
Zu den Schülern:
Die Schüler laufen bis zu 4 Stunden zur Schule und dann doppelt so lange zurück. Man muss dazu sagen, dass es zu den kleinen indigenen Gemeinden keine geteerten oder gepflasterten Straßen gibt sondern nur Trampelpfade. Selbst die Kleinsten müssen ewig zur Schule laufen.
Hier lernen die Kinder auch Englisch, wobei das Niveau hier relativ niedrig ist. Aber immerhin kennen sie die Sprache dann wenigstens.
Nun zu meinen Aufgaben. Ich begleite den Englisch-, Biologie-, Geschichts- und Sportunterricht und leite zudem eine Musik-AG.
Besonders in den drei Abschlussklassen fühle ich mich pudelwohl, da gerade die Jungs total lieb sind und immer zu mir kommen, wenn sie Fragen oder auch Probleme haben. Zudem sind in diesen Klassen alle in meinem Alter.
In meiner Musik-AG habe ich auch nur Jungs, aber das funktioniert trotzdem relativ gut. Auch wenn sie manchmal meinen, ihre Grenzen bei mir ausloten zu müssen. Wir arbeiten auf eine Aufführung im Dezember hin, bei der wir den „Cup-Song“ aus dem Film Pitch Perfect präsentieren werden.
Von meinen Jungs wurde ich auch schon mitgenommen zum Slackline-Training und in die Disko. Das war richtig lustig. Hier herrscht die absolute Lebensfreude. Tanzen und Feiern gehört hier zur Tagesordnung.
Während den gemeinsamen Schultagen, bei dem auch der Spaß ganz und gar nicht zu kurz kommt, lerne ich das ein oder andere Wort Kichuwa, die Sprache der Eingeborenen. Hier einige Worte, die ich bereits gelernt habe: (ll wird wie j ausgesprochen)
Napakullayky - Hallo
Ari - Ja
Mana - Nein
Tayta - Vater
Ayllu - Familie
Allku - Hund
Imanalla - Wie geht es dir?
Awaki - Montag
Wanra - Dienstag
Chillay - Mittwoch
Kullka - Donerstag
Chaska - Freitag
Wakma - Samstag
Inti - Sonntag
Neben der Schule reise ich quer durchs Land. Dabei habe ich schon so einiges gsehen:
Ich war an der Küste, wo ich Guayaquil, mit 3,2 Millionen Einwohnern die größte Stadt Ecuadors, besucht habe. Auf dem Weg von der Sierra an die Küste kann man sehen, wie schnell sich hier Flora und Fauna verändert. Vom kargen Hochland geht es durch Mischwald in regenwaldähnliche Gebiete. Hier sieht man weit und breit nichts anderes außer Bananenfarmen, die die Straße säumen. Inmitten dieser Farmen stehen oft prächtige Haciendas, ehemalige Herrenhäuser aus der Kolonialzeit, die heute oft als Hotel genutzt werden. Es herrscht eine Luftfeuchtigkeit von etwa 90% und eine Temperatur zwischen 25 und 30°C. Ich war echt froh, als ich endlich am Malecón, der Strandpromenade Guayaquils, ein kleines bisschen frischen Wind erhaschen konnte. Guayaquil an sich ist total dicht bebaut, was die Situation mit der Luftfeuchtigkeit nicht gerade verbessert. Allerdings ist es hier in allen Städten so, dass es mitten in der Stadt riesige Parks und Grünanlagen gibt. In Guayaquil unter anderem ein Park, in dem man Iguanas, das ist eine Leguanart, so nahe kommt, dass man sie berühren kann. Ich bin einige Tage in der Stadt geblieben, da man von Riobamba dorthin etwa vier Stunden mit dem Bus brauctht.
In der anderen Richtung habe ich bereits Baños, Tena und Misahualli gesehen. Banños wird auch das „Tor zum Regenwald“ genannt. Allerdings habe ich dort die Wasserfallroute belaufen, wo man etwa ein Dutzend Wasserfälle auf wenigen Kilometern bestaunen kann. Zudem lohnt es sich, mit einer Tarabita, einer offenen Seilbahn, über die Schluchten zu fahren. Zudem habe ich direkt unter einem Wasserfall in den berühmten Heilthermen gebadet.
In Misuhualli wurde ich zunächst von kleinen Kapuzineräffchen begrüßt, bevor ich zu einer Dschungelwanderung aufgebrochen bin. Einmal quer durchs Dickicht. Der Lohn war aber umso atemberaubender: Baden in einem wilden Wasserfall. Das Wasser war richtig kühl, was ich nach dem anstrengenden Lauf bei 100% Luftfeuchte und 35°C echt gebraucht habe. Und meine Kleidung auch. Die war logischerweise komplett verschmutzt. Zudem gab es ein super leckeres Essen und der Rückweg war mindestens genauso spannend wie der Hinweg: Ich durfte mich mit einem Schwimmring über den Río Napo treiben lassen und musste unter anderem auch einige Stromschnellen passieren. Bin aber gut angekommen.
In der Sierra, also in meiner direkten Umgebung, habe ich so gut wie alles durch: Nariz del Diablo, wo der Zug direkt am Abgrund fährt, Ambato, Guaranda, …
Aber auch Ecuadors Hauptstadt Quito hat ihren Reiz: neben der historischen Altstadt mit vielen Kolonialgebäuden und Museen über Ecuadors früheste Vergangenheit gibt es den Kontrast Neustadt mit Hochhäusern und modernen Ausstellungen.
Quito liegt in einem Kessel zwischen mehreren Bergen und Vulkanen, überthront vom Panecillo, dem „Brötchenberg“, auf dem eine geflügelte Marienstatue auf einem angeketteten Drachen steht, der auf einer Weltkugel liegt. Von dort hat man einen wahnsinnigen Ausblick über die Neustadt. Übertroffen wird das Ganze nur durch eine Fahrt im TeleferiQo, einer Seilbahn, die an den Fuß des Pinchincha führt, einem weiteren Vulkan. Von dort aus kann man die gesamte Stadt überblicken, was angesichts der Ausdehnung gar nicht so leicht ist!
Ecuador ist ein wahnsinnig schönes und vor allem abwechslungsreiches Land. Was mich an den Menschen mehr als fasziniert ist ihre Gastfreundschaft, ihre Offenheit und ihre Bereitschaft alles was sie haben zu teilen. Egal wie arm eine Familie ist, sie lädt gerne Gäste ein. Und auch die Schüler hier an der Schule, die teilweise in Wellblechverschlägen wohnen, teilen das Essen, das sie haben, mit uns Lehrern.
Alle kommen auf mich zu und tun alles, damit es mir gut geht. Ich war kaum hier angekommen, schon wurde ich integriert. Ich werde alles hier vermissen, wenn ich wieder nach Deutschland fahre, besonders meine super lieben und süßen Jungs, die absolut alles für mich tun. Selbst als ich nur nach Quito gefahren bin habe ich eine Nachricht bekommen mit der Frage wie es mir geht, ob ich gut angekommen bin und dass sie mich vermissen. Ich nehme mir fest vor, bald wieder hierher zu kommen. Es wird kein auf alle Fälle kein „Adios“ sondern ein „Hasta luego“!